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Beschreibung des Wiederaufbaus

Aus der Chronik der Gemeinde

Der Wiederaufbau der Markuskirche musste viele Hürden nehmen. Schon die ersten Schritte zur Rettung der schwer beschädigten Kirche erforderten Mut und Entschlossenheit. Um herauszufinden, ob die Glocken noch zu gebrauchen sind, bedurfte es eines waghalsigen Unternehmens, denn die Treppe zur Glockenstube war zerstört. In der Chronik der Gemeinde von Frau Oehme ist zu lesen, was Schlossermeister Rudolf Schönfisch sich einfallen ließ:

In seiner Schlosserwerkstatt sagte er: „Kinder, ich will hinauf in den Turm; es ist lebensgefährlich! Wer macht freiwillig mit?“ Ohne Zögern traten 2 seiner Gesellen hervor: Sein Sohn und sein Neffe – und dann wollten auch die anderen Gesellen nicht zurückstehen. …

Eine schwanke Eisenleiter von 11 m Länge wurde vom Ende der Treppe ins Nichts geleitet – einer mußte hinauf. Schönfisch junior unternahm es. Mit gespannten Muskeln und klopfendem Herzen standen die Männer und stützten die Leiter, während der Jüngling vorsichtig Stufe für Stufe nahm und oben die schwankenden Holme befestigte. An diese mußte die nächste 11 m – Leiter angeschlossen werden; die erklomm als erster der Neffe als der an Gewicht leichteste – und verankerte sie oben sachgemäß. In gleicher Weise waren noch weitere 8 – 10 m zu überwinden. … da war für Herrn Schönfisch der ersehnte feierliche Moment gekommen, den Turm zu ersteigen. Nun war die Glockenstube erreicht!! Da hingen unsere beiden Glocken. …

Jetzt gab es für den Bauausschuß kein Halten mehr: Der Turm muß instandgesetzt werden. Doch dazu war die Genehmigung der Behörden nötig. … Es kam diese und jene Kommission, prüfte und erwog und kam zu dem Schluß: „Der Turm muß gesprengt werden! Und die Kirchenruine dazu! Der hat viel zu viel Risse, als dass er wiederaufgebaut werden könnte.“ Da kamen sie aber bei Herrn Schönfisch. … schlecht an: „Das ist ja Sünde, so was auch nur zu denken! Gesprengt?! Der Turm wird gebaut!“


Rudolf Schönfisch, der auch Mitglied im Gemeindekirchenrat war, ließ nicht locker. Wieder musste eine Kommission sich die Kirche ansehen, und sie hielt einen Wiederaufbau immerhin für möglich. Aber wenn nicht noch ein besonderer Umstand dazu gekommen wäre, hätte es trotzdem schlecht ausgesehen, wie die Chronik erklärt:

Beim Bau der Kirche war in den Turm ein großes Wasserreservoir für das Fernheizwerk eingebaut worden, das dafür die Kirche mit Heizung versorgte. Wenn nun auch die Kirchenruine nicht geheizt werden konnte, so könnte doch das Gemeindehaus und vor allem der Saal geheizt werden, wenn der Turm tragfähig war. Dem Drängen der BEWAG, die die an die Fernheizung angeschlossenen Wohnblocks nach sechsjähriger Pause wieder mit Heizung versorgen sollte, ist es mit zu verdanken, daß endlich die Baugenehmigung erteilt wurde.

Die Gemeinde sehnte sich nach ihrer Kirche. Noch während der Instand­setzungs­arbeiten am Turm  feierte sie am 19. August 1951 dort wieder einen Gottesdienst, den ersten nach dem Krieg, in der Ruine. Die Anregung dazu erhielt Pfarrer Messow während des Kirchentages 1951. Die Chronik vermerkt dazu:

Ihm hatte während des Kirchentages eine Feierstunde besonderen Eindruck gemacht: das Konzert, das der Kirchenmusikdirektor Eberhard Wenzel aus Halle in der Ruine der Nikolaikirche gegeben hatte. Pf. Messow sagte sich: Was in Nikolai möglich ist, muß auch in Markus durchführbar sein. Er setzte den Gottesdienst für Sonntag den 19. August in der Ruine an. Für Alte und Gebrechliche waren einige wenige lehnenlose Bänke aufgestellt, manche brachten sich selbst ein Stühlchen mit, aber die große Mehrzahl mußte stehen. Vorübergehende, die von diesem Gottesdienst gar nichts gewußt, sondern zum Friedhof hatten gehen wollen, kamen mit Harke und Gießkanne und nahmen teil. Keine Tür, kein Vorhang wehrte ja den Zutritt. Nach dem Vaterunser machte Pf. Messow eine kleine Pause, und in diese Pause hinein tönten 3 mal 3 Glockenschläge – Herr Schönfisch, der von unten her ein Zeichen bekommen, schlug sie mit einem Hammer an, denn noch war ja das Geläut nicht in Gang.

Die nötigen Finanzen für den Wiederaufbau zu beschaffen, war immer wieder schwer. In der Gemeinde selbst wurden dafür unter anderem  festliche Abende organisiert, die zum Spenden anregen sollten. Von einem der ersten am 24. Februar 1952 erzählt die Chronik:

Gleich beim Eintritt gab es eine freudige Überraschung: Da stand unsere Kirche auf einem Tisch, ein fast meterhohes Modell aus Metall, von Herrn Schönfischs Meisterhänden in wochenlanger liebevoller Arbeit naturgetreu nachgebildet. Es war ein Spendenaufruf für den Wiederaufbau!

Auch die Beschaffung des Baumaterials machte Mühe. Die Freude war entsprechend groß, wenn es eintraf. Die Chronik erinnert besonders an eine Lieferung im Herbst 1953:

Am 23. September um 10 Uhr wurde mit Glockengeläut die erste Holzfuhre begrüßt, die die riesigen Balken zur Errichtung des Dachstuhles brachte und auf tannenumwundenem Schild verkündete: „Wiederaufbau der Markuskirche Steglitz 1953“. Schon am 10. Oktober konnte das Richtfest gefeiert werden, aber erst 5 Wochen danach trafen die Ziegel aus Westdeutschland ein. … Es war eine bange Zeit für alle – ob es wohl inzwischen Frost gäbe oder Schnee, aber gerade rechtzeitig vor dem ersten Schnee war die letzte Lücke auf dem Dach geschlossen. Vielfacher Dank stieg zum Himmel, denn nun konnte das Gewölbe als gerettet gelten.

Eine große Herausforderung war die Sicherung der porösen und morschen Wände des Kirchenschiffs, die 1954 mit Hilfe eines neuen technischen Verfahrens erfolgte. In der Chronik wird es erläutert:

Der schwierigste Teil war die Sicherung der geborstenen Wände. Diese waren mit knapper Not am gänzlichen Abriß vorbeigekommen. An nur einem Prozent des Grades der Zerstörung hing es, daß der Wiederaufbau genehmigt wurde. Durch ein neuartiges Verfahren, bei dem mittels einer Blaseinrichtung flüssiges Zement in die Fugen gespritzt wird, können selbst schwer beschädigte Wände fest und dauerhaft wiederhergestellt werden. Nachdem alle Risse, Lücken und Sprünge abgedichtet waren, füllte ein Wald von Gerüstbalken das ganze Kirchenschiff. Nun wurden die Innenwände verputzt.

Ansprache von Pfarrer Werner Messow beim Richtfest, 10. Oktober 1953
Ansprache von Pfarrer Werner Messow beim Richtfest, 10. Oktober 1953